Syrien
Nothilfe nach dem Erdbeben. Ihre Hilfe ist sehr wertvoll.
26.06.2018 - Nachrichten

Dringliche Empfehlungen für die Zusammenführung von getrennten Kindern mit ihren Familien

Die Alliance for Child Protection in Humanitarian Action ist eine Koalition von nahezu 100 Mitgliedorganisationen, die im Bereich des Kinderschutzes tätig sind. Wir fordern, dass von ihren Eltern getrennte Kinder in ihrem besten Interesse schnell mit ihren Familien zusammengeführt und Inhaftierungen gestoppt werden.

Aufgrund unserer kollektiven Erfahrungen, der gewonnenen Erkenntnisse und allgemein anerkannter Betreuungs- und Schutzstandards für Kinder fordern wir alle Verantwortlichen dazu auf:

- die schnelle Familienzusammenführung zu erleichtern

- Kindern und ihren Familien psychische und psychosoziale Unterstützung zu bieten

- sicherzustellen, dass Verwaltungs- und Rechtsverfahren das Kindeswohl berücksichtigen

- weitere Familientrennungen zu verhindern, indem die Inhaftierungspraxis beendet wird

Aktuelle Lage

Innerhalb von fünf Wochen wurden an der Südgrenze der USA mindestens 2300 Kinder von ihren Familien getrennt. Gemäss eines kürzlich erlassenen Dekrets sollen Familientrennungen durch Inhaftierungen ganzer Familien gestoppt werden. Kinder werden jetzt zusammen mit ihren Eltern in den Verfahrenszentren festgehalten. Eine Trennung ist immer noch möglich, da diese Kinder von Gesetzes wegen nicht länger als 20 Tage festgehalten werden dürfen, während es für die Bearbeitung von Asylanträgen und für Immigrationsverfahren bedeutend mehr Zeit braucht.

Potenzielle Schäden und Gefahren für Kinder, wenn nichts geschieht

Sowohl die Familientrennung als auch die Inhaftierung – unbegleitet oder als Familie – wirken sich erwiesenermassen negativ auf die Gesamtentwicklung und das langfristige Wohl des Kindes aus. Der Langzeitschaden für das Kindeswohl entsteht fast unmittelbar und nimmt mit der Dauer der Trennung zu. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Situation dem Kind nicht in geeigneter Weise erklärt wurde oder es zuvor schon zahlreiche Widrigkeiten erfahren hat.

Die Familientrennung und die Unterkünfte setzen Kinder einem erhöhten Risiko für Vernachlässigung, Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch aus. Kinder können sich ohne starke emotionale Bindungen zu ihren wichtigsten Bezugspersonen nicht umfassend entwickeln. Dies gilt für alle Kinder – von Kleinkindern bis Jugendlichen. Eine plötzliche gewaltsame Trennung der Kinder von ihren Eltern kann ihnen Schäden zufügen, die mit denjenigen vergleichbar sind, die Kinder in humanitären Krisen erleiden, sei es in Kriegsgebieten oder Flüchtlingslagern.

Familieninhaftierungen wirken sich äusserst nachteilig auf das langfristige Wohl von Kindern und ihren Eltern aus. Zusätzlich zu den direkten negativen Auswirkungen für das Kindeswohl verringert die Inhaftierung auch die Fähigkeit der Eltern, Kinder vor langfristigen psychischen und kognitiven Schäden zu bewahren.

 

Empfehlung 1: Schnelle Familienzusammenführungen erleichtern

Eine erweiterte Taskforce für die Familienzusammenführung von unbegleiteten Kindern sollte alle zuständigen staatlichen Stellen und Akteure der Kinderfürsorge koordinieren, um eine schnelle Identifizierung, Dokumentierung, Aufspürung und Zusammenführung von getrennten Kindern mit ihren Familien zu gewährleisten.

- Sicherstellen, dass Standardverfahren vorhanden sind, die die Rollen und die (funktionellen und geografischen) Verantwortlichkeiten derjenigen festlegen, die in die Betreuung, Zusammenführung und Bestimmung des Rechtsstatus von getrennten Kindern involviert sind. Diese Verfahren sollten strengere Protokolle für den Informationsaustausch und Fallmanagementsysteme enthalten, die die individuellen Bedürfnisse von Kindern und ihren Familien berücksichtigen.

- Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zuwanderergemeinschaften und Organisationen der Zivilgesellschaft, um eine schnelle Familienzusammenführung zu erleichtern.

- Anträge von Kindern und Eltern verbinden, um sicherzustellen, dass ihre Fälle gemeinsam behandelt werden.

- Die Rechte von Eltern und Kindern respektieren, ihren bevorzugten Familienzusammenführungsplan zu wählen.

- Aufhören, Kinder weit von ihren Eltern weg oder an verschiedensten Orten unterzubringen.

Empfehlung 2: Psychische und psychosoziale Unterstützung für Kinder und ihre Eltern

- Den täglichen Kontakt zwischen den Kindern und Familien sicherstellen und sie auf die Zusammenführung vorbereiten.

- Den Zugang zu kindgerechten Leistungen der psychischen und psychosozialen Unterstützung verbessern.

- Kinder, Familien und Bezugspersonen auf geeigneten Plattformen rechtzeitig, sicher, verständlich, dem Alter und Geschlecht entsprechend über ihre Verfahren informieren.

Empfehlung 3: Sicherstellen, dass Verwaltungs- und Rechtsverfahren das Kindeswohl berücksichtigen

- Gefährdungen von Kindern in Verfahrenszentren, Haftanstalten und institutionellen Betreuungseinrichtungen begrenzen.

- Sicherstellen, dass das gesamte Personal, das mit Kindern zu tun hat, entsprechend geschult ist – für eine behinderten- und altersgerechte, geschlechtsspezifische und traumaorientierte Betreuung und Unterstützung.

- Verwaltungs- und Rechtsverfahren festlegen und einhalten, die getrennte Kinder auf nicht diskriminierende Art, altersgerecht und traumaorientiert behandeln.

- Für getrennte Kinder rechtzeitig einen Rechtsbeistand bereitstellen.

- Kinder mit Kommunikationsmitteln informieren, die ihrem Alter, ihrem Geschlecht und ihrer allfälligen Behinderung entsprechen.

Empfehlung 4: Weitere Familientrennungen durch eine Beendigung der Inhaftierungspraxis verhindern

- Nicht freiheitsentziehende, gemeindenahe Alternativen bereitstellen, die die Familiengemeinschaft unterstützen und die sich im Verfahrensverlauf ändernden Bedürfnisse der Familie widerspiegeln.

- Alle auf eine Zusammenführung wartenden Kinder in einer familiären, möglichst wenig restriktiven Umgebung unterbringen, wo ihr Wohl oberste Priorität geniesst.

- Jederzeit sicherstellen, dass Kinder Zugang zu adäquater Ernährung, Unterkunft, Gesundheitsversorgung, zu Bildungs-, Gesellschafts- und Freizeitaktivitäten haben, dass sie täglich Kontakt zu Familienmitgliedern und zu professionellen psychosozialen und rechtlichen Leistungen haben.