Kinder schützen: Unser Auftrag seit 60 Jahren

Protéger les enfants: notre mission depuis 60 ans

Aufgerüttelt durch die entsetzliche Situation der vertriebenen Kinder während des Algerienkriegs, gründet Edmond Kaiser 1960 Terre des hommes (Tdh), um ihnen zu helfen. Sechzig Jahre später setzen wir uns mit demselben Herzblut dafür ein, Kinder zu schützen und ihre Rechte weltweit zu verteidigen. Rückblick auf die Ursprünge des Kinderschutzes und dessen Entwicklung bei Tdh. 

"Für die Ferien von hundert elenden Kindern werden ab sofort Häuser auf dem Land gesucht, Tausende von Franken (5 Franken pro Tag und Kind während eines Monats), Betreuer und Betreuerinnen, Köche und Köchinnen. Vom 3. Juli bis 3. August und so weiter." Diesen Appell richtet Edmond Kaiser 1960 an das Schweizer Volk, um für die Dauer eines Ferienlagers rund hundert algerische Kinder aufzunehmen, die Opfer des Kriegs sind. Am 22. Juli desselben Jahres ruft unser Gründer Terre des hommes ins Leben – als eine Bewegung, die notleidenden Kindern sofortige und direkte Hilfe leistet.

Protéger les enfants: notre mission depuis 60 ans
Protéger les enfants: notre mission depuis 60 ans

Edmond Kaiser, Gründer von Terre des hommes, mit einem algerischen Kind, 1961.

Woher kommt diese Sorge um den Schutz der Kinder? 

Seit sehr langer Zeit schon betrachten viele Religionen und Kulturen das Kind als unschuldiges Wesen, das ernährt und beschützt werden muss. Der Begriff vom Kinderschutz taucht jedoch erst im Ersten Weltkrieg auf. Er entsteht aus dem Mitgefühl einer Frau, Eglantyne Jebb, für Millionen von hungernden und verwaisten Kindern. Wie später Kaiser ist die junge Britin vom Leid der vom Krieg betroffenen Bevölkerungen erschüttert und engagiert sich für die Bedürftigsten.

Im Jahre 1971 stellt Tdh während des Vietnam-Krieges Säcke mit medizinischem Material für die Kinder eines Waisenhauses in Saigon zur Verfügung.

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Die geistige Gesundheit des Kindes 

Parallel zu dieser wachsenden Wohltätigkeit schafft die wissenschaftliche Forschung Mitte des 20. Jahrhunderts ein neues Studienfach: die Entwicklungspsychologie des Kindes. Neue Erkenntnisse zum kindlichen Gehirn und zu seiner Funktionsweise bringen spezifische Bedürfnisse ans Licht, die über das einfache Überleben und den physischen Schutz des Kindes hinausgehen. Kinderschutzorganisationen beginnen, die geistige Gesundheit des Kindes zu berücksichtigen. Bei Terre des hommes stellt sich ab den 1990er Jahren die Frage der psychosozialen Betreuung, als wir in Lateinamerika mit Kindern in Strassensituationen arbeiten.

Protéger les enfants: notre mission depuis 60 ans
Protéger les enfants: notre mission depuis 60 ans

Psychosoziale Aktivitäten für Kinder in einem Lager für Vertriebene im Irak, Juli 2016.

Internationale Verpflichtungen  

Eglantyne Jebb, eine wahre Heldin ihrer Zeit, verfasst den Entwurf des Textes, der 1924 zur Genfer Erklärung der Kinderrechte wird. 1959 verabschieden die Vereinten Nationen die Erklärung der Rechte des Kindes, die die Grundlage für das dreissig Jahre später angenommene Übereinkommen über die Rechte des Kindes (Kinderrechtskonvention) bildet.Die Kinderrechtskonvention, das am meisten ratifizierte Abkommen der Welt, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Kinderrechte. Sie anerkennt allgemein das Recht des Kindes auf Schutz vor jeglicher Gewalt, vor Misshandlung, Missbrauch und Ausbeutung und bestärkt damit den Schutzauftrag von Tdh. 

"Der nächste Schritt ist noch viel wichtiger! Das dritte Zusatzprotokoll zur Konvention von 2011 gibt dem Kind die Möglichkeit, Beschwerde einzureichen, wenn es erachtet, dass eines seiner Grundrechte verletzt worden ist", erläutert Philip Jaffé, Psychologe und Mitglied des Kinderrechtsausschusses, der wiederholt mit Tdh zusammengearbeitet hat. "Doch der Kampf ist noch bei Weitem nicht gewonnen!", fügt er eilig an.In der Tat, denn jedes zweite Kind auf der Welt erleidet jedes Jahr eine Form von Gewalt. Achtundzwanzig Millionen Kinder sind wegen eines Konfliktes von zu Hause vertrieben worden und fast 1,5 Millionen Kinder befinden sich auf Anordnung einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde in Haft. Diese schockierenden Zahlen zeigen, dass das Schutzsystem noch unzureichend ist. "Wir müssen an den Grundfesten unserer Gesellschaft rütteln", meint Philip Jaffé abschliessend., conclut Philip Jaffé. 

Verstehen, begleiten, nicht stellvertretend handeln 

Mit Projekten trägt Tdh zum notwendigen Wandel bei, den Philip Jaffé erwähnt. Unser Standpunkt? Nicht mutmassen, was Kinder brauchen, sondern sich an sie wenden, um ihre Probleme zu verstehen. Obwohl man schon lange über diesen Ansatz spricht, ist seine Umsetzung jüngeren Datums. "Es braucht Zeit", weiss Maria Bray, Spezialistin für Kinderschutz bei Tdh. 

Das Kind, seine Familie und seine Gemeinschaft als Akteure zu betrachten, ist unabdingbar, um nachhaltige Veränderungen herbeizuführen. Indem man direkt mit ihnen arbeitet und sich auf Bestehendes stützt, werden ihre Belastbarkeit und ihre Anpassungsfähigkeit ganz natürlich entwickelt. Sie erhalten somit die Möglichkeit, eine Krisensituation zu überwinden und mit kommenden Situationen selbständig umzugehen. "Heute haben wir Ansätze entwickelt, die es uns erlauben, unter Einbeziehung der Kinder Herausforderungen, Bedürfnisse und Antworten zu erkennen, für deren Umsetzung wir auf ihren Stärken und Ressourcen aufbauen", sagt Maria Bray. 

Im Rahmen der von Tdh entwickelten Methodik YouCreate können Kinder und Jugendliche eigene künstlerische oder digitale Projekte kreieren und dabei gleichzeitig ihre Autonomie, ihr Verantwortungsbewusstsein und ihr Selbstvertrauen entwickeln. Yara*, ein syrisches Flüchtlingsmädchen, hat in Ägypten am Projekt teilgenommen. Ein Jahr lang hatte sie ihr Zimmer kaum verlassen. In den ersten Tagen der Ausbildung schrieb sie Fragen, die sie stellen wollte, auf einen Zettel, den sie dem Kursleiter gab. Nach und nach begann sie, sich mündlich auszudrücken. Gemeinsam mit anderen Jugendlichen beschäftigte sie sich mit den Herausforderungen, die sich ihrer Gemeinschaft stellen, und mit möglichen Lösungen. "Dieses Projekt hat mir geholfen, aus meiner Isolation herauszufinden und dem Krieg und seinen Folgen anders zu begegnen", erzählt sie.

Niemanden zurücklassen 

Die Ziele der nachhaltigen Entwicklung geben ein klares Versprechen: 2030 darf niemand mehr benachteiligt sein. Durch ihre Zustimmung zu diesen Zielen haben sich die UNO-Mitgliedstaaten verpflichtet, die Armut in all ihren Formen auszurotten, der Diskriminierung und der Exklusion ein Ende zu setzen, Ungleichheiten und Schwächen zu verringern.Zu den Schwächsten gehören migrierende und inhaftierte Kinder sowie alle Kinder, die Opfer von Gewalt sind. Tdh ist entschlossen, weiterhin ihre Rechte zu verteidigen und sie zu schützen, koste es, was es wolle, genauso wie es Edmond Kaiser vor sechs Jahrzehnten getan hat.

Die vollständige Reportage finden Sie hier.

 

*Name geändert 

Crédits photos: ©Tdh/E. Kaiser, P. Käser

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